Braucht man einen Schlaftracker?

Spätestens seit ich drei Fitnesstracker gleichzeitig trage – die Apple Watch, den Oura Ring und das Whoop Strap – aber auch schon davor, kam häufig die Frage auf, ob man einen Fitnesstracker überhaupt braucht.

Für viele Menschen erschließt sich noch der Vorteil vom Kalorientracking. Lustigerweise ist das die Funktion, die ich bei meinen Trackern am Wenigsten nutze, möglicherweise auch, weil ich die Daten nicht für so akkurat halte. (Spoiler Alert: Generell kann man bei keiner Kategorie, die Tracker erheben von einer 100% Genauigkeit ausgehen)

„Das weiß man doch alles“

Kritiker führen häufig das Argument an, dass wir ja intuitiv wissen, was gut für uns ist.

Hierzu möchte ich zwei Überlegungen anführen.

  1. Wissen wir das häufig nicht. Die Forschung zeigt, dass Menschen extrem schlecht darin sind, über sich selbst Auskunft zu geben. Jeder Wissenschaftler, der sich schon mal mit Daten beschäftigt hat, die auf Selbstauskunft beruhen, wird euch das bestätigen. Menschen sind sehr schlecht darin, sich selbst zu beurteilen.

Daraus erwächst übrigens auch ein Problem.
Wenn man Menschen sagt, dass ein Tracker festgestellt hat, sie hätten schlecht geschlafen, verhalten sie sich auch so, als hätten sie schlecht geschlafen bzw. fühlen sich unausgeschlafener.

Und das zeigt ja quasi, dass unsere eigene Wahrnehmung sehr trügerisch ist.

Dass wir auf unsere Wahrnehmung nicht so viel geben können, wurde in unzähligen anderen Experimenten bewiesen. Zum Beispiel in den Untersuchungen von Elizabeth Loftus.

Loftus hat 1974 195 Versuchspersonen Filme von Autounfällen gezeigt und die Personen entweder gefragt, wie schnell sie die Geschwindigkeit der Autos einschätzten, als diese einander getroffen haben oder wie schnell sie die Geschwindigkeit der Autos einschätzten, als diese ineinander gekracht waren. Die Probanden aus der „getroffen“ Gruppe schätzten die Geschwindigkeit auf etwa 55 km/h, die smashed Gruppe schätzte auf 65 km/h.
Loftus, 1974

Das hat jetzt natürlich nicht viel mit Biohacking zu tun und auch nicht mit Fitnesstrackern. Es ist aber ein sehr anschauliches Beispiel dafür, dass wir als Menschen ganz schlecht darin sind Dinge objektiv zu beurteilen und unser Urteil sich ständig ändert, abhängig davon welche neuen Informationen wir gerade bekommen haben.

Daraus erwächst natürlich das Problem, dass wir uns durch Fitnesstracker müder fühlen könnten, wenn der Tracker sagt, dass wir schlecht geschlafen haben, obwohl beim Tracker ein Messfehler vorliegt und wir in Wirklichkeit nicht schlecht geschlafen haben.

Für die Statistiker unter euch könnte man sagen, dass es sich hierbei dann um einen Alpha-Fehler handelt. Wenn die Alternativhypothese (H1) besagt, dass ich schlecht geschlafen habe (weil der Tracker das sagt) und ich die Nullhypothese (ich habe nicht schlecht geschlafen) fälschlicherweise ablehne, weil ein Messfehler vorliegt. Mit anderen Worten das Ergebnis ist dann Falsch-Positiv (Nerd Talk Ende)

Hier steht uns natürlich das Problem entgegen, dass Tracker keine 100% Genauigkeit erreichen. Weder beim Aufzeichnen von Schlaf, noch beim Kalorientracking oder bei Stress etc.
Tracker sind meistens in einigen Disziplinen stärker als in anderen. Manche Tracker sind in allen Disziplinen deutlich schlechter.

Paradoxe Schlafloslosigkeit

Hier möchte ich auf ein Phänomen eingehen, das ich auch schon das ein oder andere Mal im Podcast angesprochen habe. Paradoxe Schlaflosigkeit. Damit ist gemeint, dass wir glauben, wir hätten die ganze Nacht nicht geschlafen, in Wirklichkeit haben wir aber nur etwas schlechter geschlafen als normal.
Wir überschätzen also die Zeit, die wir nachts wachliegen und bemerken nicht, dass wir zwischendurch mehr geschlafen haben, als wir denken.

Das Phänomen der Paradoxen Schlaflosigkeit ist ebenfalls ein guter „Beweis“ dafür, wie schlecht wir darin sind uns selbst bzw. unseren Schlaf zu beurteilen.

Jetzt kann man natürlich anführen: „Glaubst du denn gar nicht daran, dass du auf dein Körpergefühl vertrauen kannst?“ und ich sage es mal so: Ich bin einfach realistisch.

Wenn (überspitzt gesagt) so gut wie alle Studien zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Menschen extrem schlecht darin sind, sich selbst zu beurteilen.
Was ist dann wahrscheinlicher?
Dass ich die große Ausnahme von der Regel bin? Oder, dass ich – wenn ich glaube, ich wäre die große Ausnahme – die Regel selbst bestätige, weil ich mich gerade falsch einschätze?


Wie genau sind Fitnesstracker?

Der Postdoc-Researcher Rob ter Horst, der auf Youtube den Kanal The Quantified Scientist betreibt, hat viele Fitnesstracker getestet und sich bemüht herauszufinden, wie genau sie sind. Dazu hat er die Daten von Wearables mit Daten von professionelleren Geräten in Bezug gesetzt. Er hat zum Beispiel die Schlaferkennung vom Oura Ring oder der Apple Watch mit Aufzeichnungen aus einem EEG während des Schlafens verglichen, um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie genau diese Wearables in der Schlaferfassung sind.

Die Ergebnisse gibt es hier:

Whoop 4.0:

Whoop

Für Whoop ist Rob zu folgenden Ergebnissen in der Schlaferfassung gekommen:
Das Whoop erkennt Tiefschlaf mit einer Genauigkeit von 97,2 % – damit ist es in der Erfassung des Tiefschlafs vermutlich das auf dem normalen Markt akkurateste Wearable.

Bei REM schneidet es deutlich schlechter ab. Hier wird REM-Schlaf nur mit einer Genauigkeit von 59,9% richtig erkannt. Wenn REM-Schlaf falsch erkannt wird, dann wird er fast immer mit leichtem Schlaf verwechselt.

Ich möchte aber noch eine zweite Überlegung ins Feld führen.

Die Unterschätzte Macht der sichtbaren Daten

Selbst wenn die meisten von uns im Großen und Ganzen wissen, was gut für sie ist und was schlecht, so macht es in der Motivation doch einen enormen Unterschied, ob man es wirklich in Zahlen ausgedrückt sieht.

Natürlich ist das auch wieder eine Typfrage. Ich persönlich bin jemand, der durch Zahlen und die grafische Aufbereitung von quantifizierten Daten extrem motivierbar ist. Freunde von mir bezeichnen sich selbst als Natural Biohacker (Grüße gehen raus an Robin und Jonathan, wenn ihr das lest), ich würde mich persönlich aber als Data-Driven Biohacker bezeichnen. Ich arbeite gerne evidenzbasiert. Zum einen bin ich mir über die Grenzen meiner Wahrnehmung als Mensch bewusst, zum anderen war ich seit jeher durch sichtbare Progression am besten motivierbar.

Natürlich weiß ich, dass Alkohol schlecht für meinen Schlaf ist. Aber nachdem ich das erste Mal gesehen habe, wie sehr meine Schlafdaten bereits nach ein bisschen Alkohol abnehmen, fällt es mir viel leichter nein zu sagen. Es ist auf einmal greifbar geworden. Aus einem diffusen „Ich fühle mich heute nicht so fit“ wurde „Ich habe kaum REM-Schlaf gehabt und meine Körpertemperatur war 1 Grad höher als normal“.

Ich habe lange Zeit einen CGM getragen, nicht, weil ich Diabetiker wäre, sondern, weil mich die Daten interessiert hatten. Natürlich wusste ich vorher, dass Zucker nicht gut für mich ist. Natürlich habe ich mich oft schlecht gefühlt, wenn ich morgens als erstes auf nüchternen Magen einen Energydrink getrunken habe und dann 1-2 Stunden später der Blutzucker extrem abgesackt ist. ABER wirklich zu sehen, wie hoch mein Blutzucker eine Viertelstunde nach dem Konsum eines Energydrinks ansteigt, ist etwas komplett anderes als ganz grob zu wissen, dass das nicht gut ist.

Ich habe auch über ein Jahrzehnt gewusst, dass man für Muskelaufbau Protein, Kalorienüberschuss und Training benötigt. Aber ich habe es trotzdem nie geschafft dranzubleiben. Selbst mit Personal Coach nicht. Geändert hat sich das, als ich wirklich angefangen habe mit der App Myfitcoach sehr akribisch meine Trainings aufzuzeichnen und zu sehen, wie ich über die Zeit stärker und stärker wurde. Selbst wenn ich mal keine Lust auf Training habe, habe ich immer Lust darauf danach zu sehen, wie ich mich im Laufe der Zeit entwickle.

Ich bin hier sicherlich ein wenig überdurchschnittlich, was diese Motivation angeht. Trotzdem kann es spannend sein es zumindest Mal auszuprobieren.

Mein Fazit:


Selbst wenn ich nach so vielen Jahren doch ganz gut weiß, was meinen Schlaf positiv und was ihn negativ beeinflusst, lohnen sich die Tracker für mich, um dranzubleiben.

Ich zahle ein paar Hundert Euro im Jahr für Tracker, Abos, Mitgliedschaften, Apps… und sicherlich brauche ich diese Daten nicht, weil sie mir keine phänomenal neuen Erkenntnisse liefern. Aber sie tragen dazu bei meine Motivation oben zu halten. Mein Myfitcoach Abo (Affiliatelink) kostet zum Beispiel ca. 10 Euro im Monat. Das sind 10 Euro, die ich mir sparen könnte, wenn ich mir meine Sets einfach in der Notizenapp aufschreibe. Aber es sind auch 10 Euro, die dazu beitragen, dass ich mich jedes Mal aufs Training freue und dranbleibe. Und dieser Motivationsboost ist mir auf jeden Fall 10 Euro wert.

Mein Whoop kostet ca. 20 Euro im Monat. Natürlich hab ich ein ungefähres Bauchgefühl, an welchen Tagen ich mehr Schlaf benötige, als an anderen. Aber allein der „Ehrgeiz“ beim Schlaf eine 100% zu erreichen, weil ich meinen Schlaf priorisiert habe und dann auch wirklich früher ins Bett gehe, führt dazu, dass ich mit einer viel höheren Wahrscheinlichkeit ausreichend schlafe. Und das ist mir 20 Euro im Monat wert.